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Customer Journeys statt Featuritis: Bedürfnisse der Kunden (er)kennen und in den Mittelpunkt stellen

Lese­zeit: 12 Minu­ten
Customer Journeys statt Featuritis: Bedürfnisse der Kunden (er)kennen und in den Mittelpunkt stellen

Sie haben sicher schon „Fea­turi­tis“ erlebt. Immer wie­der lässt sich beob­ach­ten, wie Pro­duk­te in neu­en Ver­sio­nen mit neu­en Fea­tures voll­ge­packt wer­den, die noch dazu oft zwei­fel­haf­ten Nut­zen haben. Bei man­cher Soft­ware äußert sich das noch dazu häu­fig in einem kom­plet­ten Umbau der Benut­zer­ober­flä­che. Dem alten Design­prin­zip „form fol­lows func­tion“ zum Trotz sind die weni­gen Funk­tio­nen, die wirk­lich wich­tig und nütz­lich sind, zwi­schen hun­dert ande­ren ver­steckt und zum Über­fluss – der aktu­el­len GUI-Mode fol­gend – auf diver­se „Rib­bons“ ver­teilt, deren Ord­nungs­kri­te­ri­um sich auch nur bedingt erschließt.

Frus­triert muss der durch­schnitt­li­che Benut­zer sol­cher Pro­duk­te fest­stel­len, dass sei­ne Pro­duk­ti­vi­tät eher zurück­ge­gan­gen denn gestie­gen ist, und denkt sich: „Wenn das die Lösung ist, will ich mein Pro­blem zurück“. Sol­che Pro­duk­te kann eigent­lich nur auf den Markt brin­gen, wer kei­ne neu­en Kun­den gewin­nen muss.

Umge­kehrt gibt es immer wie­der im Hard­ware- und Soft­ware­be­reich Lösun­gen, die sich am Markt schlag­ar­tig durch­set­zen, weil sie mit Ihrem Nut­zen sofort über­zeu­gen. Häu­fig sind es über­ra­schen­de und dis­rup­ti­ve Ansät­ze. Kent Beck, Pio­nier agi­len Vor­ge­hens, hat das in einem Vor­trag so aus­ge­drückt: „… suc­cess is always a sur­pri­se, becau­se if it wasn’t, someone else would alre­a­dy be doing it”. Sie hat­ten sicher auch schon mal das Gefühl “War­um ist da nicht schon vor­her einer drauf gekom­men?” (vor­zugs­wei­se man selbst)

Wie füh­len sich Marktd­is­rup­tio­nen an? Den­ken Sie z.B. an Ihre ers­te Begeg­nung mit Goog­le, als es Ende der 1990er plötz­lich da war (wenn Sie zu jung sind, den­ken Sie ein­fach an AirBnB o.ä.). Heu­te ist das kaum noch vor­stell­bar, aber damals war es extrem schwie­rig, im Inter­net die rich­ti­gen Din­ge zu fin­den. Die gän­gi­gen Such­diens­te waren voll­ge­packt mit Ver­zeich­nis­sen (wie Gel­be Sei­ten). Wenn man nicht genau wuss­te, mit wel­chen Begrif­fen und wo man suchen muss, war es eine zeit­auf­wän­di­ge und oft frus­trie­ren­de Ange­le­gen­heit. Die Grün­der von Goog­le haben ver­stan­den: Die Men­schen wol­len nicht suchen, son­dern so schnell und ein­fach wie mög­lich fin­den. Die dar­auf­hin ent­wor­fe­ne redu­zier­te Ober­flä­che, damals unvor­stell­ba­re Geschwin­dig­keit und hohe Tref­fer­quo­te war ein der­ar­ti­ger Para­dig­men­wech­sel, dass alle ande­ren Anbie­ter in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit ver­san­ken und man bald dar­auf nicht mal mehr vom Suchen sprach, son­dern vom Googlen.

Nehmen Sie Ihre Kunden mit auf eine entspannte Reise zu seinen Zielen

Den Unter­schied macht die Per­spek­ti­ve: Erfolg­rei­che Lösungs­an­bie­ter ver­set­zen sich in die Lage Ihrer Kun­den. Sie kon­zen­trie­ren sich nicht auf Fea­tures, mit denen sie Pro­duk­te auf­mot­zen, son­dern auf das, was man heu­te „cus­to­mer jour­ney“ nennt:

  • Wel­che Zie­le hat der Kun­de (hier: Etwas nütz­li­ches zu fin­den, ohne vor­her wis­sen zu müs­sen, wonach er genau suchen muss)?
  • Wel­che Wer­te / Eigen­schaf­ten sind ihm dabei wich­tig (Bequem­lich­keit, Sicher­heit, Ver­trau­lich­keit, Ver­füg­bar­keit, Nach­hal­tig­keit u.ä.)?
  • Wie kön­nen wir die Rei­se zu die­sen Zie­len so gestal­ten, dass er eine mög­lichst ange­neh­me Erfah­rung („user expe­ri­ence“ aka UX) mit uns macht?

Gewünsch­ter Effekt ist dabei natür­lich, dass der Kun­de sich ger­ne an die gemein­sa­me Rei­se erin­nert und sie bei Bedarf wie­der­holt und/oder wei­ter emp­fiehlt. Und an der vira­len Ver­brei­tung bestimm­ter Lösun­gen erkennt man, dass die­se Rech­nung aufgeht.

Was vie­le Anbie­ter (ins­be­son­de­re von Soft­ware­lö­sun­gen) oft über­se­hen: Es geht nicht nur um die Zie­le, son­dern viel­leicht noch mehr um die Wer­te (die­se wer­den zu sog. Pro­duk­tei­gen­schaf­ten oder Qua­li­täts­an­for­de­run­gen). Goo­gles Erfolg hing eben nicht nur an der Haupt­funk­ti­on, ihrem inno­va­ti­ven Such­al­go­rith­mus. Die­se konn­te Ihre Wir­kung nur ent­fal­ten, weil der Ser­vice von Anfang an ein­fach, ver­füg­bar und rasend schnell war. Die­se Kom­bi­na­ti­on hat Goog­le sofort zu einer erfolg­rei­chen Mar­ke wer­den las­sen. Wie sehr Goog­le mit sei­nem QoS (qua­li­ty of ser­vice) ver­bun­den wird, ver­deut­licht der bis heu­te größ­te Aus­fall: Als 2009 Goo­gle­Mail mal für eine spür­ba­re Zeit aus­ge­fal­len war, mach­te sich im Inter­net Panik­stim­mung breit: Was kann schlim­mes pas­siert sein, wenn sogar Goog­le aus­fällt? Wenn die Nicht­ver­füg­bar­keit des eige­nen Ser­vices mit dem nahen­den Welt­un­ter­gang asso­zi­iert wird, hat man es offen­bar geschafft.

Nach der Innovation kommt die (Über-)Organisation

Die zuvor beklag­te Fea­turi­tis hat i.d.R. einen ganz ein­fa­chen Hin­ter­grund: Arbeits­tei­li­ge Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on und ein Pro­dukt­mar­ke­ting, dass sich eher am Mit­be­werb denn am Kun­den ori­en­tiert.

Wirk­li­che Inno­va­ti­on im Sin­ne rele­vant neu­er Pro­blem­lö­sungs­an­sät­ze erfor­dert eine Orga­ni­sa­ti­on, die inter­dis­zi­pli­när auf Explo­ra­ti­on und Expe­ri­men­tie­ren aus­ge­rich­tet ist. Das ist der Grund, war­um sie über­wie­gend in Start-Ups statt­fin­det. Ob die­se in sprich­wört­li­chen Gara­gen sit­zen, ist für den Erfolg aller­dings nach­ran­gig – übri­gens ist das kei­ne Erfin­dung des Sili­con Val­ley, auch Daim­ler hat als Tüft­ler in einem Bad Cannstat­ter Schup­pen angefangen…

Fol­gen­de Aspek­te machen Start-Ups zu geeig­ne­ten Inno­va­ti­ons­ge­ne­ra­to­ren: Zum einen müs­sen Entre­pre­neu­re eine Markt­ni­sche finden/schaffen, in der sie pro­spe­rie­ren kön­nen. Zum ande­ren kön­nen Sie es sich nicht leis­ten, sich in lan­gen, teu­ren Pro­jek­ten zu ver­zet­teln, wie das eta­blier­ten Unter­neh­men gele­gent­lich pas­siert. Das agi­le Expe­ri­men­tie­ren in mög­lichst vie­le Rich­tun­gen ist qua­si der natür­li­che Betriebs­mo­dus von Start-Ups. Und nicht uner­wähnt blei­ben soll, dass die Geschich­ten erfolg­rei­cher Start-Ups (dazu zäh­len u.a. alle Inter­net­grö­ßen) ja das Ergeb­nis einer gna­den­lo­sen Selek­ti­on sind. Wie vie­le geplatz­te Träu­me kom­men auf ein Goog­le oder Facebook?

Sobald aber eine Lösung gefun­den wur­de, die in klei­nem Rah­men gezeigt hat, dass sie mach­bar und erfolg­ver­spre­chend ist, wächst das Unter­neh­men um die­se Lösung her­um (wenn es nicht direkt gekauft wird). In die­ser Pha­se geht die anfäng­li­che Agi­li­tät in der Regel ver­lo­ren – es sei denn, man ver­an­kert sie bewusst als Unter­neh­mens­kul­tur (wie Goog­le, Face­book und ande­re das geschafft haben). Typi­scher­wei­se (und das gilt vor allem für Unter­neh­men der Vor-Inter­net-Ära) ent­ste­hen arbeits­tei­li­ge Struk­tu­ren, die sich in pro­dukt­na­hen Berei­chen maß­geb­lich an denen der Lösung bzw. des Pro­dukts ori­en­tie­ren. Und die­se Struk­tu­ren, die zunächst Wachs­tum und Erfolg des Unter­neh­mens ermög­licht haben, sind es, die es auf Dau­er extrem schwie­rig machen, dass die­ses Unter­neh­men die Grund­struk­tu­ren sei­ner Pro­duk­te ver­lässt.

Es sind vor allem die­se sich selbst mani­fes­tie­ren­den Struk­tu­ren, die vie­le Unter­neh­men eher „unser Pro­dukt“ als „die Bedürf­nis­se unse­rer (poten­zi­el­len) Kun­den“ den­ken las­sen. Man­ches Fea­ture dürf­te nur ent­stan­den sein, weil die Mit­ar­bei­ter im zustän­di­gen Team beschäf­tigt wer­den muss­ten. Ich bit­te, mich hier nicht falsch zu ver­ste­hen: Stolz und Ver­bun­den­heit mit der eige­nen Mar­ke ist gut und rich­tig. Aber der Stolz soll­te immer davon her­rüh­ren, dass der Kun­de bei einem best­mög­lich auf­ge­ho­ben ist.

Die­se Gesetz­mä­ßig­keit hat Mel­vin Con­way bereits 1967 als mög­li­ches Pro­blem for­mu­liert: „Orga­niza­ti­ons which design sys­tems … are cons­trai­ned to pro­du­ce designs which are copies of the com­mu­ni­ca­ti­on struc­tures of the­se orga­niza­ti­ons.“

Conway’s law verhindert Innovation – besonders in der Industrie

Auch wenn er sich als Pro­gram­mie­rer ver­mut­lich auf Soft­ware­de­signs bezog, lässt sich Conway’s Law auch auf Indus­trie­pro­duk­te anwen­den – dort trifft es wegen der höhe­ren Spe­zia­li­sie­rung viel­leicht noch mehr zu.

Las­sen Sie mich das am Bei­spiel der Auto­mo­bil­in­dus­trie erläu­tern: Wäh­rend Daim­ler und Benz in ihrer Start-Up-Zeit im wesent­li­chen Kut­schen moto­ri­sier­ten, ist ein moder­nes Kraft­fahr­zeug ein extrem kom­pli­zier­tes Sys­tem, das sich aus tau­sen­den Ein­zel­kom­po­nen­ten und Sub­sys­te­men zusam­men­setzt. Mit der Struk­tur die­ses Sys­tems ist die Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur in der Ent­wick­lung gewach­sen. Denn natür­lich sind hun­der­te oder tau­sen­de Inge­nieu­re und ande­re Exper­ten nötig und für jeweils ein­zel­ne die­ser Kom­po­nen­ten ver­ant­wort­lich. In der Regel stim­men sich die­se Exper­ten nur mit ihren unmit­tel­ba­ren Schnitt­stel­len­part­nern ab (das sind die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­struk­tu­ren, die Con­way für das fata­le Cons­traint ver­ant­wort­lich macht). Ich ken­ne eine Inge­nieu­rin, die über vie­le Jah­re nur für den rech­ten Außen­spie­gel eines bestimm­ten Auto­mo­dells ver­ant­wort­lich war.

Durch sol­che opti­mier­ten Ent­wick­lungs-Struk­tu­ren ist ein Auto­bau­er also regel­recht dazu ver­dammt, immer Autos zu ent­wer­fen. Der Varia­ti­ons­spiel­raum in die­sem Rah­men ist eigent­lich sogar erschre­ckend gering. Wir erle­ben ja, wie schwie­rig schon der Umstieg auf Elek­tro­mo­bi­li­tät zu sein scheint, obwohl man als Laie mei­nen soll­te, dass die Fahr­zeug­struk­tu­ren so unter­schied­lich ja doch nicht sein sollten.

Wann war Innovation gefragt, wenn nicht jetzt?

Die eigent­li­che Her­aus­for­de­rung der Auto­mo­bil­bran­che geht aber ja viel wei­ter, denn es gilt z.B., völ­lig neue inter­mo­da­le Mobi­li­täts­kon­zep­te zu ent­wi­ckeln. Wenn man das nicht selbst macht, wer­den es ande­re tun, das tra­di­tio­nel­le Pro­dukt­ge­schäft wird so oder so suk­zes­si­ve weg­bre­chen.

(Zur Erin­ne­rung: Die Auto­in­dus­trie war hier bloß ein nahe­lie­gen­des Bei­spiel, ande­re Indus­trien haben im Rah­men der Digi­ta­li­sie­rung ähn­li­che Her­aus­for­de­run­gen)

Füh­ren wir uns noch mal eini­ge Her­aus­for­de­run­gen der kom­men­den Jah­re vor Augen:

  • Con­nec­ted ever­y­thing, IoT
  • Ent­ste­hen neu­er infor­ma­ti­ons­ba­sier­ter Geschäfts­mo­del­le, auch branchenübergreifend
  • Dis­rup­ti­on bestehen­der Geschäftsmodelle
  • Wan­del zu einer sha­ring eco­no­my (Uber, AirBnB etc. sind erst der Anfang)
  • Völ­lig neue (Erwartungs-)haltungen und Wer­te der mit Inter­net und Smart­phones groß­wer­den­den Generationen
  • Time-to-mar­ket (in guter Qua­li­tät!) als erfolgs­ent­schei­den­des Kriterium
  • (unver­än­dert) expo­nen­ti­ell stei­gen­de Komplexität

Natür­lich unter­hält jeder Kon­zern der eige­nen Zukunfts­fä­hig­keit wil­len R&D‑Abteilungen oder auch man­ches zuge­kauf­te Start-Up, um an Inno­va­tio­nen zu arbei­ten. Aber das löst nicht das Grund­pro­blem: Wenn sol­che Inno­va­tio­nen in Rich­tung Seri­en­rei­fe und Pro­duk­ti­on getrie­ben wer­den sol­len, bedarf es wie­der­um der vie­len Exper­ten, die nach wie vor in den gro­ßen star­ren Struk­tu­ren gefan­gen sind (auch mental).

Darf es etwas SoSE sein?

Wie kön­nen sich eta­blier­te Unter­neh­men trans­for­mie­ren um auf sich ändern­den Märk­ten bestehen zu kön­nen, wenn ihr Ange­bot durch neue Lösun­gen ersetzt wird?

Eigent­lich muss in der Ent­wick­lung der glei­che Schritt voll­zo­gen wer­den wie bei Lean Pro­duc­tion: So wie man die über­trie­be­ne (und auch nicht sehr befrie­di­gen­de) extre­me Arbeits­tei­lung am Fließ­band zuguns­ten klei­ner Teams mit umfas­sen­de­ren Auf­ga­ben auf­ge­ge­ben und dabei diver­se Vor­tei­le geern­tet hat, soll­te auch im Engi­nee­ring der Weg dahin gehen, dass Inge­nieu­re, Mar­ke­ting­ex­per­ten und ande­re Fach­leu­te in inter­dis­zi­pli­nä­ren Teams Lösun­gen ersin­nen und umset­zen, statt in einer vor­ge­ge­be­nen Struk­tur nur ein­zel­ne aus dem Kon­text geris­se­ne Bau­tei­le zu entwerfen.

Eine mög­li­che Lösung die­ses Pro­blems liegt in der Ein­füh­rung des „Sys­tem of Sys­tems Engi­nee­ring“ (SoSE). Die­ser ganz­heit­li­che Ansatz stammt ursprüng­lich aus Mili­tär­pro­jek­ten, er scheint aber auch her­vor­ra­gend geeig­net, um die dis­rup­ti­ven Her­aus­for­de­run­gen der kom­men­den Jahr zu meistern.

Natür­lich kön­nen wir einen kom­ple­xen Engi­nee­ring-Pro­zess hier nicht detail­liert dar­stel­len, daher zum Ver­ständ­nis nur eini­ge wesent­li­che Kri­te­ri­en von SoSE:

  • Ein „Sys­tem of Sys­tems“ (SoS) ist ein Ver­bund von in sich wie­der­um belie­big kom­ple­xen (neu zu ent­wer­fen­den oder bestehen­den) Sys­te­men, die im Zusam­men­spiel ver­läss­lich Mis­sio­nen zu erfül­len haben (anders als bei den nur vari­ier­ten Bau­rei­hen der Auto­in­dus­trie wird bei den oft jahr­zehn­te­lan­gen Indi­vi­du­al­pro­jek­ten des Mili­tärs ein sol­ches SoS zu Groß­tei­len von Grund auf neu ent­wor­fen – schon weil es nicht nur das Fahr­zeug, son­dern auch Leit­sys­te­me, Waf­fen­sys­te­me, Infrartruk­tu­ren etc. umfasst)
  • Maß­geb­lich sind die Zie­le / Mis­sio­nen, die erreicht wer­den sol­len, sowie die Pro­per­ties (das sind Qua­li­täts­ei­gen­schaf­ten wie Sicher­heit, Geheim­hal­tung u.ä.), die dabei durch­gän­gig zu beach­ten sind
  • Aus die­sen Vor­ga­ben wer­den zunächst ein­mal logi­sche Funk­tio­nen abge­lei­tet, die nötig sind, um bestimm­te Mis­sio­nen durch­zu­füh­ren (im Rah­men einer Cus­to­mer Jour­ney wären das ein­zel­ne Schrit­te im Rah­men des Work­flows oder Prozesses)
  • Ein wich­ti­ger Begriff in die­sem Zusam­men­hang ist Con­Ops, Con­cept of Ope­ra­ti­ons. Es legt dar, wie Mis­sio­nen ablau­fen, also wie die logi­schen Funk­tio­nen inein­an­der grei­fen. Man kann es ver­ein­facht als eine Art Work­flow oder Pro­zess­be­schrei­bung ver­ste­hen. Es ist natür­lich klar, dass in einem Jagd­flug­zeug bei mehr­fa­cher Schall­ge­schwin­dig­keit die Usa­bi­li­ty eine ungleich höhe­re Rol­le spielt. Man mag sich nicht vor­stel­len, wenn da Benut­zer­ober­flä­chen wie die ein­gangs geschil­der­ten ohne­hin gestress­te Pilo­ten zu Fehl­ent­schei­dun­gen verleiten
  • Erst auf die­ser Basis wer­den die phy­si­schen Funk­tio­nen ent­wor­fen und den Sys­te­men zuge­teilt, die sie ggf. im Zusam­men­spiel erbrin­gen müs­sen. Das ist auch der Punkt, wo noch feh­len­de Sys­te­me iden­ti­fi­ziert werden
  • Auf­grund der Spe­zi­fi­ka­tio­nen an die phy­si­schen Funk­tio­nen wer­den dann die frag­li­chen Sys­te­me aus­ge­wählt oder entworfen
  • All das fin­det in einem ganz­heit­li­chen, inter­dis­zi­pli­nä­ren Pro­zess statt – und natür­lich mit einem ent­spre­chend hohen Grad an Doku­men­ta­ti­on und Verprobung

Soweit der Kurz­über­blick über SoSE, auf wei­ter­ge­hen­de Erläu­te­run­gen oder Dia­gram­me möch­te ich ver­zich­ten, weil es oft den Ein­druck der Tri­via­li­ät und der sofor­ti­gen Pro­blem­lö­sung erweckt („Wir mache jetzt Scrum“). Aber einen sol­chen Pro­zess zu imple­men­tie­ren und zu beherr­schen ist natür­lich zeit­auf­wän­dig und anspruchsvoll.

Lohnt sich eine Transformation des kompletten Entwicklungs- und Marketing-Bereichs?

Ich habe dar­ge­legt, war­um vie­le Unter­neh­men orga­ni­sa­to­risch dazu ver­dammt sind, immer in den glei­chen Pro­duk­ten „zu den­ken“. Damit haben sie einen erheb­li­chen Nach­teil ggü. jenen Unter­neh­men, die in die­sem Bereich Agi­li­tät erhal­ten oder geschaf­fen haben. Auf Dau­er droht der „Segel­schiff-Effekt“, wie in mei­nen Bei­trag „Auf zu neu­en Ufern“ beschrie­ben. Die Dis­kus­sio­nen um die deut­sche Auto­in­dus­trie ver­mit­teln den Ein­druck, wir sind schon mittendrin.

Nach mei­ner Mei­nung ist SoSE ein Ansatz, der Unter­neh­men mit­tel­fris­tig hel­fen kann, mit ihren bestehen­den Know-How-Trä­gern dis­rup­ti­ve markt­wirk­sa­me Lösun­gen zu ent­wer­fen. U.a. spricht fol­gen­des dafür:

  • Der Pro­zess ist ganz­heit­lich und inter­dis­zi­pli­när. Er bringt bis­lang dis­junkt in ihren Spe­zi­al­si­los an ein­zel­nen Kom­po­nen­ten wir­ken­de Exper­ten zusam­men. Dabei kön­nen sehr posi­ti­ve Dyna­mi­ken ent­ste­hen (Wis­sens­aus­tausch, gegen­sei­ti­ge Inspi­ra­ti­on, aber auch Spaß)
  • Der Fokus auf die eigent­li­chen Zie­le und Wer­te des Kun­den wei­tet den Blick. Statt ein­fach immer mehr Fea­tures in das bekann­te Pro­dukt zu stop­fen, ist es über­ra­schend inspi­rie­rend zu fra­gen, was der Kun­den eigent­lich mit dem Pro­dukt bezweckt, und fest­zu­stel­len, wie viel Lösungs­ideen man fin­det, die die Kun­den­zie­le unterstützen
  • Die Idee des SoS ent­spricht der Pro­ble­ma­tik einer ver­netz­ten Welt. Erfolg­rei­che Pro­duk­te und Ser­vices der kom­men­den Jah­re wer­den nicht mehr allei­ne ste­hen, son­dern von vorn­her­ein so ent­wor­fen wer­den müs­sen, dass sie im Zusam­men­spiel mit ande­ren Sys­te­men sinn­vol­le Lösun­gen und Cus­to­mer Jour­neys ergeben
  • Die Abs­trak­ti­on logi­scher Funk­tio­nen bie­tet sich gera­de­zu an, an die­ser Stel­le wahl­wei­se auch schon bestehen­de Lösun­gen zu inte­grie­ren. Das wird z.B. beim auto­no­men Fah­ren und bei trans­mo­da­ler Mobi­li­tät ohne­hin eher die Regel als die Aus­nah­me sein. Inter­es­sant ist hier auch, dass die logi­sche Funk­ti­on vor ihrer Imple­men­tie­rung steht: Wenn ich z.B. das Pro­blem habe, vom Bahn­hof nach Hau­se gebracht wer­den zu müs­sen, ist es auf die­ser Ebe­ne noch egal, ob das per auto­no­men Fahr­zeug, per Car-Sha­ring, per Taxi oder sonst­wie geschieht. Der Vor­teil liegt an die­ser Stel­le auch dar­in, dass der kon­kre­te Kun­de hier den Ser­vice sei­ner Wahl ein­bin­den kann
  • Das Fokus­sie­ren auf Pro­per­ties wie Sicher­heit, Ver­läss­lich­keit, Ver­füg­bar­keit u.ä. schon früh im Ent­wurfs­pro­zess ist extrem hilf­reich, da gera­de bei einem SoS-Ansatz sol­che Eigen­schaf­ten vom schwächs­ten Glied in der Ket­te abhän­gen und daher für den Ent­wurf extrem wich­tig sind (Schnitt­stel­len-SLAs, Red­un­danz u.ä.). Sie wol­len sich die User Expe­ri­ence nicht durch einen unzu­ver­läs­si­gen Dritt­an­bie­ter zerstören

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Aller­dings ist dies eine Trans­for­ma­ti­on, die vie­le Jah­re dau­ert, zumal ja lan­ge Zeit das „eta­blier­te“ Pro­dukt­ge­schäft par­al­lel wei­ter­lau­fen muss. Mei­ne Empfehlungen:

  • Betrach­ten Sie auf jeden Fall, dass hier ein soli­des Chan­ge Manage­ment nötig ist. Men­schen sind unge­heu­er anpas­sungs­fä­hig, aber auch sehr emp­find­lich, wenn sie aus ihren Kom­fort­zo­nen her­aus müssen
  • Suchen Sie sich ein mög­li­ches The­ma (z.B. im Umfeld Con­nec­ted Car) her­aus, dass Sie als Leucht­turm­pro­jekt mit einem klei­nen, aber doch schon aus­rei­chend inter­dis­zi­pli­nä­ren Team ange­hen können
  • Las­sen Sie die Über­zeu­gung von den Vor­tei­len des neu­en Ver­fah­rens mit Hil­fe von Suc­cess Sto­ries aus dem Leucht­turm­pro­jekt und den dor­ti­gen Mit­wir­ken­den als Chan­ge Agents in die Orga­ni­sa­ti­on ein­drin­gen. Es ist bes­ser, den Wunsch nach Ver­än­de­rung orga­nisch wach­sen zu las­sen, als die­se anzuordnen

Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Unter­neh­men unter ähn­li­chen Effek­ten lei­det wie sie hier beschrie­ben wur­den, war­ten Sie nicht, falls Sie in einer Bran­che arbei­ten, die mit Dis­rup­ti­on rech­nen muss. Auch und gera­de wenn ihre bis­he­ri­gen Pro­duk­te sich noch gut ver­kau­fen, soll­ten Sie jetzt anfan­gen, für die Zukunft vor­zu­sor­gen. Auch die Segel­schif­fe wur­den noch eine gan­ze Zeit ver­kauft, bevor die Werf­ten, die sich nicht mit der Dampf­schiff-Tech­no­lo­gie aus­ein­an­der­ge­setzt haben, Kon­kurs anmel­den mussten.

Und auf unse­re Wirt­schaft kom­men in den nächs­ten Jah­ren viel grö­ße­re Ver­än­de­run­gen zu als der Aus­tausch einer Antriebs­tech­no­lo­gie. Ich wün­sche Ihnen viel Erfolg bei der Ver­mei­dung Ihres ganz per­sön­li­chen Segelschiff-Effekts.

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