Komplexe Systeme erfordern neue Methoden – Teil 1: Das neue Testverfahren MAPS weist den Weg aus der Kostenfalle
Statistisch gesehen war das Jahr 2016 zwar das unfallreichste Jahr seit 1990, doch die Zahl der Verkehrstoten war so niedrig wie seit über 60 Jahren nicht mehr (Quelle). Während Radfahrer weniger glücklich sind, profitieren Autofahrer von Airbags, Gurt und anderen Sicherheits-Features, mit denen Autos zunehmend besser ausgestattet sind.
Je mehr Komponenten es im Auto gibt, desto mehr Wechselwirkungen und Interaktionen der verschiedenen Fahrzeugkomponenten müssen in der Entwicklung und vor allem im Test berücksichtigt werden. Tatsächlich beobachten wir derzeit einen exponentiellen Anstieg der erforderlichen Testfälle. Üblicherweise steigt der Aufwand für die Erstellung und Pflege der Testfälle linear mit deren Anzahl – und somit ebenfalls exponentiell. Die Firma Continental wollte sich damit jedoch nicht abfinden und hat zusammen mit IPG, der Technischen Hochschule Ingolstadt und sepp.med ein Verfahren entwickelt, um diese Problematik zu beherrschen.

as neue, richtungsweisende Verfahren trägt den klingenden Namen MAPS. MAPS steht für „Model-Based Development of Active and Passive Safety Systems”. Kurz zusammen gefasst ist MAPS ein Testframework, welches die Vorteile des modellbasierten Testens, der Testautomatisierung und der Testdurchführung in virtueller Fahrumgebung kombiniert.

Abbildung 1: Model-Based Development of Active and Passive Safety Systems (MAPS)
Abbildung 1 zeigt das Grundkonzept von MAPS. Ausgehend von den Anforderungen erstellten die Entwickler ein Systemmodell, aus welchem der Quellcode generiert und anschließend auf die Hardware geflasht wurde. Parallel dazu erstellten die Tester ein unabhängiges (!) Testmodell. Mit Hilfe des Testfallgenerator MBTsuite von sepp.med wurden dann Testfälle generiert und durch ein Werkzeug für virtuelle Fahrversuche, dem IPG CarMaker ausgeführt. CarMaker erlaubt sowohl manöverbasierte Testdurchführung als auch vollständige Fahrzeugsimulationen in umfassend modellierten Szenarien. Das System ist flexibel aufgesetzt, so dass die Testdurchführung in allen Entwicklungsstufen als Model-in-the-Loop‑, Software-in-the-Loop- oder Hardware-in-the-Loop-Test (MIL, SIL oder HIL) erfolgen kann.
Abbildung 2 zeigt die eingesetzte Werkzeuglandschaft.

Abbildung 2: Die Werkzeuglandschaft
MAPS setzt gleich an zwei Stellen an, um die drohende Kostenexplosion zu beherrschen.
- Die Testfälle müssen nicht mehr händisch erstellt und gepflegt werden. Stattdessen befassen sich die Tester mit dem weitaus übersichtlicheren Testmodell. Die einzelnen Testfälle werden automatisiert aus dem Modell heraus generiert, wobei dem Testfallgenerator spezifische Testauswahlkriterien mitgegeben werden. Dadurch konnte der Aufwand für die Erstellung und Pflege der Testfälle deutlich reduziert werden und ist vor allem nicht mehr linear an die Anzahl der Testfälle gekoppelt.
- Dank der Simulation werden Fehler aufgedeckt, die sonst erst sehr viel später während der Fahrzeugerprobung identifiziert werden. Was dies für das Projektbudget bedeutet, wissen wir alle…
Nebenbei hat MAPS auch einen positiven Effekt auf die Qualität der Tests. Durch die Testfallgenerierung kann zielgenau die nötige Anzahl an Testfällen automatisch erzeugt werden, die erforderlich ist, um die sicherheitsrelevanten Funktionen mit einem vorgegebenen Abdeckungsgrad (Test Coverage) zu prüfen.
MAPS wurde im Rahmen eines ZIM-Förderprojektes entwickelt und in diesem Zusammenhang an einem Airbag-Controller von Continental auf die Probe gestellt. Basierend auf Expertenbefragungen ermittelte die TH Ingolstadt eine durchschnittliche Verbesserung der Qualität und der Aufwände um 8 Prozent im Vergleich zum „konventionellen“ Ansatz, wie er bisher bei Continental verfolgt wurde.
Weitere Teile der Artikelserie
- Teil 1: Das neue Testverfahren MAPS weist den Weg aus der Kostenfalle