Quality4Medtech – 5 Fragen an Prof. Dr. Bjoern Eskofier

Die Medizintechnik ist eines der spannendsten Themenfelder unserer Zeit. Die Digitalisierung hat den technischen Fortschritt, vor allem in den Bereichen AI und Deep Learning enorm beschleunigt. Die Software leistet hierbei ihren entscheidenden Beitrag. Am 7. Juli 2022 diskutieren wir mit Prof. Dr. Bjoern Eskofier und weiteren führenden Experten aus Wissenschaft und Industrie über die Qualität von medizinischer Softwareentwicklung beim Expertentreffen Quality4Medtech.
Prof. Dr. Bjoern Eskofier ist Experte für künstliche Intelligenz in der Biomedizintechnik. Im Interview erklärt er, warum der Einsatz von KI in der Medizintechnik künftig eine stärkere Vernetzung von Daten erfordert.
Warum nehmen Sie an der Veranstaltung teil? Was erwarten Sie sich?
Prof. Dr. Eskofier: Ich freue mich auf spannende Gespräche und neue Kontakte für mein Netzwerk.
Wie wird KI die Medizintechnik verändern?
Prof. Dr. Eskofier: Der Antrieb für den verstärkten Einsatz von KI und ML in allen Bereichen liegt in drei Entwicklungen begründet: die stetig wachsende Rechnerkapazität, die Verbesserungen bei der Algorithmik durch intensive Forschung und die wachsende Verfügbarkeit digitaler Daten.
Das Potential der KI ist in der Medizin, insbesondere für die sogenannte P4-Medizin (partizipativ, personalisiert, prädiktiv und präventiv), noch lange nicht ausgereizt. Was fehlt, sind – insbesondere im deutschen Gesundheitssystem, aber auch international – interoperable, vernetzte Daten auf verschiedenen Ebenen.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel für die von Ihnen angesprochenen vernetzten Daten geben?
Prof. Dr. Eskofier: Ein Beispiel ist die Diagnose und insbesondere Therapie bei einer chronischen Erkrankung wie Morbus Parkinson. Es ist bekannt, dass schon die Diagnose herausfordernd ist, und stark von der Erfahrung der Ärztin oder des Arztes abhängt. Noch herausfordernder ist die Entscheidung für die Therapieform, wo zu jedem Zeitpunkt aus einer Vielzahl von Möglichkeiten Patienten-individuell ausgewählt werden muss.
Wären Diagnose, Therapieentscheidung und vor allem Therapieerfolg für alle konkreten Patientinnen und Patienten Deutschlands, Europas oder weltweit objektivierbar und verfügbar, wären KI-basierte Entscheidungsunterstützungssysteme denkbar, die für eine konkrete Patientin heute aus der Vielzahl der vorherigen Patientinnen und Patienten Fälle auswählen, die als ähnlich zu bewerten sind und die dementsprechend mit hoher Wahrscheinlichkeit die richtige Therapieform auswählen lassen.
Gibt es schon einen Lösungsansatz für diese Vernetzung? Immerhin greifen gerade bei medizinischen Daten sehr hohe Datenschutzanforderungen.
Prof. Dr. Eskofier: Ein Weg, diese Möglichkeiten für das Gesundheitssystem der Zukunft zu schaffen, ist die Etablierung eines sogenannten „persönlichen Gesundheitsdatenraumes“. In diesem persönlichen Gesundheitsdatenraum werden die Daten nicht wie aktuell hauptsächlich üblich in Silos erhoben und dort aufbewahrt (bei der Hausärztin, im Klinikum oder beim niedergelassenen Arzt), sondern werden immer auch im individuellen persönlichen Gesundheitsdatenraum verwahrt.
Dies ermöglicht auch das unter Datenschutzgesichtspunkten sichere Teilen objektivierbarer Laborparameter, Diagnosen, Therapieentscheidungen und ‑erfolge mit Forscherinnen und Forschern, welche damit neue Möglichkeiten der P4-Medizin für das KI-unterstützte Gesundheitssystem der Zukunft schaffen werden.
Dieser Ansatz klingt vielversprechend. Aber wie konkret sind diese „Gesundheitsdatenräume“ jetzt bzw. in absehbarer Zukunft?
Prof. Dr. Eskofier: Diese Gesundheitsdatenräume sind heute keine reine Zukunftsmusik mehr. Am 3. Mai 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission unter Federführung der DG Sante (Directorate-General Health and Food Safety / Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) einen Vorschlag für den Rechtsrahmen für den European Health Data Space (EHDS / europäischer Raum für Gesundheitsdaten). Dieser Vorschlag wird nun in Europäischem Rat und Parlament diskutiert, und könnte bereits Ende 2023 eine bindende Rechtsverordnung für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden (die diese dann innerhalb von 12 Monaten umsetzen müssen).
Wenn Sie mehr über die persönlichen Gesundheitsdatenräume erfahren wollen, kommen Sie am 7. Juli 2022 zur Quality4Medtech. Dort wird Professor Dr. Eskofier in seiner Keynote „AI for Future Healthcare“ dieses spannende Thema genauer beleuchten.