Quality4Medtech – 5 Fragen an Torsten Herbert

Die Medizintechnik ist eines der spannendsten Themenfelder unserer Zeit. Die Digitalisierung hat den technischen Fortschritt, vor allem in den Bereichen AI und Deep Learning enorm beschleunigt. Die Software leistet hierbei ihren entscheidenden Beitrag. Am 7. Juli 2022 diskutieren wir mit führenden Experten aus Wissenschaft und Industrie über die Qualität von medizinischer Softwareentwicklung beim Expertentreffen Quality4Medtech.
Im Interview gibt Torsten Herbert, Validierungsexperte & Testmanager bei sepp.med, Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Innovationen, Regulierung und Qualitätssicherung in der Medizintechnik.
Warum nehmen Sie an der Veranstaltung teil? Was erwarten Sie sich?
Torsten Herbert: Ich nehme an der Veranstaltung teil, weil ich mit dazu die Anregung gegeben habe und weil ich auch Vortragender bin. Ich erwarte daraus resultierend viele Gespräche und Impulse aus dem Kreis der Teilnehmer und der Vertreter der Hersteller und Zulieferer.
Ich erhoffe mir die Möglichkeit, im Nachgang noch detaillierter in die Zusammenhänge im 1:1‑Gespräch eintauchen zu können.
Welche Innovationen erwarten Sie für die Zukunft der Medizintechnik?
Torsten Herbert: Gerade in der Medizintechnik mit ihrem sicherheitskritischen und stark regulierten Umfeld gilt es, die Ideen zu Innovationen zu formen und in die Anwendung zu bekommen. Die Medizintechnik wird sich immer weiter individualisieren und vernetzen, um für jeden Patienten und jede Diagnose die bestmögliche Behandlung anbieten zu können.
Ganz vorne stehen die KI- und Cloud-Ansätze, aber auch die DIGA entwickeln sich stetig weiter. Neben KI ist das maschinelle Lernen (ML) für die Gesundheitsbranche sehr vielversprechend. Es gilt, mit fortschrittlichen Algorithmen und riesigen Datenmengen, neue Informationen zu generieren und auf veränderte Bedingungen eine schnelle Anpassung zu finden. Daraus folgen vergleichbare Diagnosen und verbesserte Behandlungsergebnisse, was wiederum zu geringeren Kosten und Steigerung der allgemeinen Qualität der Gesundheitsversorgung führt.
Wie wird KI die Medizintechnik verändern?
Torsten Herbert: Selbstverständlich verändert jede Innovation! Jede Innovation trägt diese Absicht ganz automatisch in sich. Wir werden Ziele erreichen können, an die mancher vor wenigen Jahren nicht einmal gedacht hat (oder sich nicht getraut hat, daran zu denken, weil er kein Science-Fiction-Fan ist).
Wichtig wird sein, dass wir bei der Regulierung Schritt halten und dies nicht zum Blocker wird. Der Nutzen sollte immer im Vordergrund stehen, die Risiken und Nachteile aber immer im Auge behalten werden. Der Abstand zwischen Innovationen und Regulierung darf nicht zu groß werden, das vergrößert auch immer das Risiko für negative Auswirkungen. Dafür brauchen wir schnell die aktuellen Richtlinien und Standards, um unsere tägliche Arbeit in der Qualitätsbewertung, ‑steuerung und ‑sicherung daran ableiten zu können.
Welche Rolle spielt Software in diesem Zusammenhang? Welche Bereiche der Software neben der KI sehen Sie als besonders wichtig für die Medizintechnik?
Torsten Herbert: Software bringt uns Menschen in Bereiche, die wir gerade als Mensch nicht mehr abdecken können oder wollen. Der Schritt hin zur künstlichen Intelligenz, bedeutet für uns, dass Software oder Systeme mit uns in direkte Konkurrenz treten und nicht mehr nur uns Menschen kontrolliert unterstützen. Das sind Themen, die außerhalb der eigentlichen Softwareentwicklung zu diskutieren sind. Es sind aber wichtige Diskussionen, in die wir uns als Softwareentwickler und ‑tester unbedingt mit einbringen müssen.
Die Digitalisierung (Digitale Transformation) muss an jeder Stelle in der Medizintechnik ankommen, sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion und beim Patienten. Cybersecurity soll nicht mehr nur Angst machen, sondern in erster Linie Vertrauen und Sicherheit geben.
Wird die Qualitätssicherung ernst genug genommen? Hat die MDR ihren abschreckenden Ruf zu Recht oder könnte das alles auch „einfacher“ gemacht werden?
Torsten Herbert: Qualitätssicherung wird ernst genommen. Tatsächlich wird sie von Herstellern und Zulieferern noch stärker gelebt, als dies von Behördenseite gefordert ist. Genau wie der abschreckende Ruf der MDR resultiert das aus Unwissenheit und Unsicherheit. Hier bedarf es einer solide gebauten Brücke von den Regularien hin zu der Compliance bei den Herstellern und Zulieferern.