Ein Digitaler Zwilling als Online-Validierungslabor für Medizingeräte-Netzwerke
DigiValMed steht für „Digitaler Zwilling“ im Krankenhaus-Netzbetriebskontext als Online-Validierungslabor für Medizingeräte-Netzwerke. Ziel des Projekts ist es, Methodik und technische Umgebung für die Absicherung und Validierung von Medizingerätenetzwerken zu entwickeln und auf dieser Basis Qualität und Effizienz klinischer Prozesse in der Strahlenklinik des Universitätsklinikums Erlangen (UKER) zu verbessern.
Nahezu alle Medizingeräte sind über das Krankenhausnetzwerk vernetzt und tauschen darüber schnell und unkompliziert wesentliche Informationen aus. Hier setzt der Digitale Zwilling an, der verteilt über das Krankenhaus Informationen aus dem Netzwerk fischt, um ein Lagebild zu medizinischen Geräten, des Netzwerks und der klinischen Abläufe zu gewinnen und darzustellen. Verantwortliches Personal kann so jederzeit Einblick erhalten und bei relevanten Abweichungen zeitnah gewarnt werden.
Zur Entwicklung wurde ein weiterer Digitaler Zwilling bei sepp.med aufgebaut, der einen kleinen Ausschnitt der komplexen Netzwerkkonfiguration bei UKER simuliert. Er dient als Quality Gateway für die Software, bevor diese bei UKER eingesetzt wird. Zum Schutz persönlicher Daten stehen sepp.med nur anonymisierte oder frei erhältliche Daten zur Verfügung. Alle Aufzeichnungen bei UKER verbleiben dort.
Wenn auch unterschiedlich in Konfiguration und Daten werden in beiden Digitalen Zwillingen die folgenden gleichen Komponenten verwendet:
- Medizinische Geräte Gateways – Minicomputer, die den Netzwerkverkehr bestimmter Medizingeräte vorfiltern und aufzeichnen.
- Analyse Server – Computer, welche die Informationen in Datenbanken speichern und auf Basis von Zeiten und Inhalten, automatisiert Status und Abläufe überprüfen, sowie Warnungen versenden.
- Web Server – Computer, welcher autorisiertem Personal Einblick in den aktuellen und historischen Status der Klinik, sowie manuelle Auswertungen ermöglicht.
Durch den kontinuierlichen Informationsgewinn ermöglicht es der Digitale Zwilling, spezielle Fehlerszenarien durchzuspielen oder neue Workflows für die Klinik zu evaluieren, ohne den Patientenbetrieb zu gefährden.
Interview mit Prof. Dr. Christoph Bert (Projektpartner)
Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?
Prof. Dr. Christoph Bert: Wir wurden im Mai 2018 über den Mailverteiler des Zentrums Digitalisierung Bayern auf den Call „IT-Sicherheit in Energie, Medizin, Mobilität und Produktion“ aufmerksam. Da dieses Thema für einen KRITIS-Versorger wie das UK Erlangen natürlich relevant ist, sind Dr. Stefan Bücken, der IT-Sicherheitsbeauftrage des UKER, und ich über das Medical Valley EMN auf die Suche nach geeigneten KMUs gegangen und haben die sepp.med GmbH aus den Kandidaten ausgesucht, da sie am ehesten zu unserer Idee passte. Zum Glück sind wir auf offene Ohren gestoßen und konnten sehr schnell in die konkrete Antragsvorbereitung einsteigen, die letztendlich erfolgreich war.
Was möchte das UKER mit DigiValMed erreichen?
Prof. Dr. Christoph Bert: Die Sicherheit unserer Patientenbehandlungen noch weiter erhöhen. Konkret soll durch kleine Gateway Rechner hinter jedem Medizingerät erreicht werden, dass die digitale Kommunikation zwischen Medizingeräten in Echtzeit analysiert werden kann. Durch diese digitale Zwillingsstruktur können Parameter überprüft werden, beispielsweise, um Anomalien in der Kommunikationsgeschwindigkeit frühzeitig zu detektieren.
Wo sehen Sie die wesentliche Innovation?
Prof. Dr. Christoph Bert: Die Nutzung der Gateways und die Erschaffung der Zwillingsstruktur sind die wesentlichen innovatives Aspekte in Kombination mit den richtigen Benchmarks zur Auswertung der Daten.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit sepp.med?
Prof. Dr. Christoph Bert: Wir haben alles in allem unsere bisherigen Ziele erreicht. Da ein Großteil der Projektlaufzeit durch die Pandemie überlagert war und immer noch ist, lief die Zusammenarbeit weitgehend virtuell ab. Mehr persönlicher Austausch hätte die Umsetzung mancher Ideen vermutlich beschleunigt.
Sehen Sie Potenzial für eine weitere Zusammenarbeit mit sepp.med?
Prof. Dr. Christoph Bert: Ja! Wir sind erst am Anfang mit dieser Idee und können nun viel besser abschätzen, welche Schritte notwendig sind, um die Gesamtidee weiter voranzutreiben.
Die Technik im Detail
Bei der 2nd Virtual Edition MedtecLIVE & SUMMIT stellte Stephan Segmiller, Experte für Software-Qualitätssicherung bei sepp.med, die Entwicklungsstruktur und Softwarearchitektur der DigiValMed-Plattform vor.
Interview mit Matthias Pruksch (technische Projektleiter)
Warum hat sich sepp.med für die Initiation eines solchen Projekts entschieden?
Matthias Pruksch: Als ich zum ersten Mal von dem Förderprojekt hörte, war ich begeistert. DigiValMed hat alles, was wir im Innovationsbereich Internet of Things (IoT) vorantreiben, insbesondere Wertschöpfung und Qualitätssteigerung aus Daten. Und das im regulierten medizinischen Bereich einer Klinik, wo z. B. größter Wert auf den Schutz persönlicher Daten im Allgemeinen und Patientendaten im Besonderen gelegt wird. Da eröffnete sich für uns ein äußerst spannendes Projekt, in das wir unsere Expertise einbringen, Kompetenzen ausbauen und Technologien ausprobieren können.
Wie lange dauert das Projekt?
Matthias Pruksch: Drei Jahre.
Wie groß ist das DigiValMed-Team?
Matthias Pruksch: Über den gesamten Zeitraum stellt sepp.med ein Kernteam aus zwei bis vier erfahrenen Kollegen, die bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Projekt beitragen. Bisher haben wir zehn weitere Kollegen hinzugezogen. Diese haben, individuell nach Zielstellung, über zwei bis zu zehn Wochen ihre spezielle Expertise eingebracht, neue Technologien ausprobiert und Erfahrungen gewonnen.
Was sind die Herausforderungen, die wir im Projekt bewältigen müssen?
Matthias Pruksch: UKER bietet ihren Patienten eine Vielzahl von Leistungen an und liefert in deren Umsetzung eine Fülle von Ansatzpunkten. Dank der vertrauensvollen Zusammenarbeit konnten wir uns gemeinsam einen Überblick in einem Kernbereich verschaffen und herausarbeiten, wo maximaler Nutzen bei vertretbarem Aufwand zu erreichen ist.
Die bisher größte Herausforderung kam danach mit der Pandemie, die eine enge Zusammenarbeit vor Ort zeitweise unmöglich machte, bzw. stark einschränkt. Diese Einschränkung und das gesetzte Ziel, die Netzwerkdaten von UKER mit den darin enthaltenen persönlichen Informationen zu schützen, erschwert die Entwicklung der funktional gleichen Digitalen Zwillinge bei UKER und sepp.med.
Welche Technologien/Methoden werden verwendet?
Matthias Pruksch: Trotz der Gemeinsamkeit Medizinbereich lernen wir täglich voneinander, weshalb wir agil in einer Mischung aus Srum und Kanban vorgehen. Grundsätzlich setzen wir zur Erreichung unserer Ziele die Technologie ein, die uns am effektivsten voranbringt. Und DigiValMed bietet die volle Bandbreite der Informations- und Kommunikationstechnologie von der Software für Minicomputern über das Netzwerk, Backend/Frontend, Web und Mobil bis zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Als Beispiel sei der Einsatz von Docker Containern genannt, mit denen wir leichtgewichtig wiederverwendbare Teilsysteme definieren, die flexibel zwischen Minicomputern und Servern geeignet verschoben und skaliert werden können.